Demografische Schätzungen zum letzten Glazialen Maximum
Heute leben in Deutschland etwa 82 Millionen Menschen. Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von rund 230 Einwohnern pro Quadratkilometer. In Europa sind es mit etwa 72 Menschen pro Quadratkilometer etwas weniger. Das alles lässt sich mit wenigen Klicks im Internet herausfinden. Wenn man allerdings etwas über Population und Bevölkerungsdichte früherer Zeiten erfahren möchte, wird es schwierig. Je weiter es zurück in die Vergangenheit geht, desto spärlicher werden die Daten. Besonders weit zurück in die Vergangenheit der Bevölkerung Europas sind Wissenschaftler des SFB 806 ‚Our Way to Europe’ gegangen, bis in die letzte Eiszeit. Dr. Isabell Schmidt, die Teil der Arbeitsgruppe war, erläutert den Fokus:
Während des ‚LGM‘ (Last Glacial Maximum) war der europäische Raum ein unwirtlicher Ort, die Besiedelung entsprechend spärlich. Auch wenn das Leben während des letzteizeitlichen Maximums für die Jäger und Sammler selbst wahrscheinlich kein Zuckerschleck war, ist es aus heutiger Sicht für die Wissenschaft ein besonders interessanter Zeitraum.
Anhand der 14c- oder Radiokarbonmethode lässt sich das Alter von Funden bestimmen. Sie beruht auf dem Zerfall eines Kohlenstoff-Isotops, das von allen Lebewesen auf der Erde aufgenommen wird. Vereinfacht lässt sich sagen: Je weniger des Isotops sich in einem bestimmten Fund noch nachweisen lässt, desto älter ist es. So können organische Funde, und damit auch Besiedlungsnachweise, etwa 50.000 Jahre zurück datiert werden. Um eine Aussage über die Demografie treffen zu können, ist die archäologische Fundstelle ein wichtiger Anhaltspunkt.
Eine über einen langen Zeitraum konstant dichte Besiedelung lässt darauf schließen, dass es sich um ein präferiertes Siedlungsgebiet handelt. Geostatistische Berechnungen, das ‚Density-based Upscaling,‘ lassen dann Rückschlüsse auf Bevölkerungsdichte und Demographie zu.
Ausgehend von den Kernregionen konnten die Wissenschaftler somit Schätzungen zur Demografie vornehmen. Zusätzlich haben sich die Wissenschaftler verschiedene Klimadatensätze zunutze gemacht, um das Klima in unterschiedlichen Phasen des letzten eiszeitlichen Maximum zu modellieren. Mit den demografischen Schätzungen einerseits und den Klimadaten andererseits ergibt sich ein spannendes Bild der Mensch-Umwelt-Interaktion.
Durch die Auswertung und Gegenüberstellung der verschiedenen methodischen Ansätze, durch Klimamodelle und Analysen zur demografischen Struktur, können die Wissenschaftler ein Bild von den präferierten Siedlungsgebieten der damaligen Menschen zeichnen.
Das westliche Arbeitsgebiet umfasst Westernzentraleuropa mit Siedlungsfunden etwa in Frankreich, Spanien und Portugal, das östliche Gebiet fokussiert sich auf Ostmitteleuropa mit Fundstellen um das Karpatenbecken.
Im östlichen Arbeitsgebiet sieht es dagegen etwas anders aus. Die Populationen in dieser Region präferierten offenbar andere Siedlungsgebiete.
Während sich die Siedlungen zur Zeit des letzeiszeitlichen Maximums auf bestimmte Regionen fokussieren, sah es in Deutschland sehr spärlich aus.
Originalpublikation: Maier, A., et al., Demographic estimates of hunter-gatherers during the Last Glacial Maximum in Europe against the background of palaeoenvironmental data, Quaternary International (2016), https://dx.doi.org/10.1016/j.quaint.2016.04.009